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AutorenbildDr. Babette Sonntag

Ethik und Innovation: Big in Japan

Aktualisiert: 20. Dez.




Tokyo city lights
Innovation made in Japan

Ethik und Innovation - von Japan lässt sich jede Menge über Innovationsmanagement lernen!

Die japanische Kultur und Gesellschaft haben mich schon immer fasziniert und mit ihrem Geist des Gemeinwohls, des Respekts und des gegenseitigen Wohlwollens eine starke Anziehungskraft ausgeübt. Seit über 30 Jahren beschäftige ich mich privat und beruflich intensiv mit Land und Leuten sowie der Wirtschaft Japans. In diesem Post möchte ich mit meiner Leidenschaft und meinem Wissen einen Deep Dive in japanische Unternehmenskulturen machen.

Auf der Suche nach innovativen Ideen und Lösungen muss man nicht nur in der Gegenwart suchen oder auf Produkte schauen. Gedankenanstöße finden sich auch in anderen Kulturen und Zeiten:


Ethik trifft Innovation


Was meine ich damit? Japanische Unternehmen sind bekannt für ihre starken Unternehmensphilosophien und Grundsätze, die oft von den Gründern selbst aufgestellt wurden und der Belegschaft in Fleisch und Blut übergehen sollen. Das klingt vielleicht drastisch für uns Europäer, aber wenn wir uns die Grundsätze anschauen, dann sind sie auf Menschlichkeit und ein gutes Miteinander ausgerichtet. Mit dem Einbeziehen der ganzen Belegschaft und dem Gedanken der Integrität und des „Zusammenschweißens“ bezeichne ich diese Grundsätze als hochinnovativ – vor allem vor dem Hintergrund, dass wir hier über die Zeit bis max. 1950 sprechen.


Mitsubishi als Vorreiter

Koyata Iwasaki, direkter Nachfahre des Unternehmensgründers und Präsident von Mitsubishi formulierte in den 1930er Jahren die drei Grundsätze, an denen sich das Handeln des Unternehmens orientieren solle und die bis heute Gültigkeit haben:


  1. Shoki Hoko: Verantwortung gegenüber der Gesellschaft

  2. Shoji Komei: Integrität und Fairness

  3. Ritsugyo Boeki: Globales Verständnis durch Geschäft


Iwasaki Yataro, unterwegs auf unkonventionellen Wegen

Iwasaki Yataro, der Gründer von Mitsubishi, hatte als Sohn eines Bauern früh verstanden, worauf es bei gesellschaftlichem Aufstieg ankommt und kaufte sich in jungen Jahren einen Samurai-Status. Seinen Weg in die Wirtschaft fand er über die Beziehungen zu einem Klan, dessen Schuldenberg er als Büroleiter in Nagasaki abbauen konnte – auf abenteuerlichen Wegen. Er fand immer Lösungen, seinen Einfluss oder sein Besitztum zu vergrößern und Handel über geschickte Verhandlungen erfolgreich abzuwickeln. Dazu gehörten ungewöhnliche Kommunikationsstrategien ebenso wie die das abendliche Trinkengehen mit seinen Verhandlungspartnern. 1873 gründete er den Vorgänger von Mitsubishi, ein Handelsunternehmen. Er war erst 50 Jahre alt, als er kurz danach starb.

Sein persönlicher Erfolg und der Erfolg von Mitsubishi bauen ganz wesentlich auf Iwasakis Fähigkeiten auf, immer neue Wege für seine Netzwerke und den Handel zu finden, sich nicht auf ein Business oder eine „Art, Dinge zu tun“ festzulegen und sein Gespür, wie er Geschäftspartner überzeugen kann. Er war ein flexibler Charakter, der jenseits eingetretener Bahnen gedacht hat.



Yataro Iwasaki Founder of Mitsubishi
Yataro Iwasaki, Founder of Mitsubishi (https://sekainorekisi.com/glossary/岩崎弥太郎/ )

Was ist das Besondere an den Prinzipen von Mitsubishi?

Diese Prinzipien betonen soziale Verantwortung, ethisches Verhalten und globales Denken. Insbesondere die globale Sichtweise in einer Zeit, als Globalisierung weder ein dominierender Makrotrend noch ein bekanntes Schlagwort war und in der eher der Fokus auf Nationalstaatlichkeit stand, zeigt, dass Yataro Iwasaki seiner Zeit weit voraus war. 

Mit der Betonung der sozialen Verantwortung wird ein Grundprinzip der japanischen Wertetradition aufgegriffen und das Ziel der Bemühungen auf eine Verbesserung des Miteinanders gelenkt. Wir werden diese Prinzipien auch bei den anderen Unternehmen, die ich in diesem Post betrachte, finden.

Die Berücksichtigung von ethischen Überlegungen in der Geschäftsstrategie haben Mitsubishi geholfen, eine eingeschworene, verlässliche Kultur unter den Mitarbeitern zu schaffen und Vertrauen und Respekt in der Geschäftswelt zu gewinnen.


Innovationen

Die Geschichte von Mitsubishi ist gekennzeichnet durch große Wandlungsfähigkeit. Den Herausforderungen durch den wachsenden Wettbewerb mit Mitsui ab ca. 1880 begegnete Yataro Iwasaki durch starke Diversifizierung in andere Geschäftsbereiche, wie Erzförderung, Bankengeschäfte oder Versicherungen. Diese Art Wachstum durch Diversifizierung und Machtstärkung wurde von anderen japanischen Unternehmern aufgegriffen und führte zur Herausbildung des Phänomens der "zaibatsu" (財閥) - japanische Firmenkonglomerate in Form von Familienunternehmen, aber das ist eine andere Geschichte...

Mitsubishi baut heute z.B. Trägerraketen für die Japanische Raumfahrtagentur.


Warum fördern Iwasakis Prinzipien Innovationskraft?

Aus den Grundprinzipen, die Iwasaki aufgestellt hat, lese ich folgende Anregungen für Innovationsarbeit heraus:

  • Das Vorhandensein von explizit humanitären Grundprinzipien in der Innovation verstärkt das Identitätsgefühl und schafft eine eingeschworene Gemeinschaft unter den Innovatoren.

  • Als Person für eine Idee einzustehen und diese mit starker Stimme zu vertreten, ist Grundlage für den Erfolg und die Wirksamkeit der Idee. Heute besagt ein Innovationsgrundprinzip nach den 5 Disciplines of Innovation (Link zu einem Summary), dass jede Idee einen „Champion“ oder Treiber braucht, also jemanden, der sie in einem Unternehmen vorantreibt und dafür sorgt, dass daran weitergearbeitet wird.

  • Offen für neue Wege und Inhalte zu sein, auch wenn sie nicht so ganz zu dem Bisherigen passen, ist Voraussetzung für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäfts. Die meisten Ideen verändern sich entlang des Innovationsprozesses, weil neue Erkenntnisse einfließen. Das ist kein Scheitern, sondern Lernen.

  • Wenn sonst niemand Dinge auf diese bestimmte Art und Weise tut, dann ist es definitiv Grund genug, es auszuprobieren.

 

Sony als mutiger, extrem wendiger Innovator

Sony wurde von Masaru Ibuka und Akio Morita im Jahr 1946 gegründet. Auch bei Sony sehe ich einen Grundstein für den unglaublichen Aufstieg und die Innovationskraft in den starken, auf Freiheit und die Stärken der japanischen Kultur ausgerichteten Managementprinzipien der Gründer Akio Morita und Masaru Ibuka:

  1. Selbstständigkeit: Alle relevanten Bausteine und Elemente sollten selbst entwickelt werden, um unabhängig von Zulieferern und Patentansprüchen zu sein.

  2. Innovation: Die Produkte sollten originell und kostengünstig sein.

  3. Qualität: Hohe Qualitätsstandards sollten stets eingehalten werden.

  4. Internationalität: Von Anfang an hatten sie das Ziel, international erfolgreich zu sein und sich nicht nur auf den japanischen Markt zu konzentrieren.


Innovationen

Die besonderen Erfolge von Sony sind das "Kleinstradio" ICR-20 (so groß wie eine Streichholzschachtel), der erste Farbfernseher auf dem deutschen Markt von 1972, der erste Videokassettenrekorder 1975 und natürlich der berühmte Workman. Die Liste ist noch viel länger und das Wort "erster" kommt immer wieder vor. Sony hatte immer die Nase vorn.


Insbesondere Morita galt als charismatischer, mutiger und innovativer Manager


Akio Morita Founder of Sony
Akio Morita, Founder of Sony (World of faces Akio Morita 2 - World of faces)

Er war auch für seine drastischen und provokanten Managementmethoden berühmt. ...oder eher berüchtigt, wenn man der folgenden Anekdote, die ich während meines Studiums der Japanologie wiederholt gehört habe, Glauben schenkt: Ziel war es, die kleinstmögliche Videokamera auf den Markt zu bringen. Als die Ingenieure Morita einen neuen Prototypen der x-ten Iteration vorstellten, ließ er einen Eimer Wasser bringen. Er warf die Kamera zum Entsetzen der Anwesenden hinein und es stiegen Luftblasen auf. Daraufhin sagte der zu seinen Ingenieuren: „Es steigt Luft auf, also ist sie immer noch zu groß!“


Morita verkörperte den Prototypen eines „transformational leaders“. Transformatorische Führung zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, die Mitarbeiter zu inspirieren und zu motivieren und mehr zu erreichen als das, was von ihnen erwartet wird. Führungskräfte, die diesen Stil pflegen, stellen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter in den Vordergrund, fordern sie zu kritischem Denken auf und fördern ein Umfeld des Vertrauens und der Zusammenarbeit (ein Blogpost mit mehr Hintergrundinfos: Link).


Morita fokussierte auf Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz, um für die amerikanischen Aktionäre Gewinne zu erzielen. Gleichzeitig erkannte und unterstützte er Menschlichkeit, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, so dass in seiner Managementphilosophie der mitarbeiterorientierte „Familismus“ und die aktionärsorientierte „Meritokratie“ nebeneinander standen.


Was können wir lernen?

Als Innovationsmanagerin finde ich folgende Besonderheiten von Moritas Managementstil besonders inspirierend:

  • Eine klare und überzeugende Vision kann nicht stark genug betont sein (s.o. Mitusbishi)

  • Förderung und Unterstützung des Mutes in der Belegschaft, Dinge anders/komplett neu zu betrachten – und damit auch Fehler zu akzeptieren

  • Investment in die persönliche Entwicklung und das Wachstum der Mitarbeiter

  • Ständige Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, auf Marktdynamiken schnell zu reagieren

  • Die Pflege intensiver Beziehungen zu Interessengruppen, einschließlich Mitarbeitern, Kunden und Partnern, um langfristigen Erfolg zu gewährleisten

  • Wachrütteln des Innovationsgeistes mit verrückten, unberechenbaren Aktionen

 

Panasonic als Paradebeispiel dafür, dass Ehrgeiz mit Gemeinwohl verbunden werden kann

Das Unternehmen wurde von Kônosuke Matsushita gemeinsam mit Toshio Iue (später Gründer von Sanyo) als Matsushita Denki Kigu Seisakujo (松下電気器具製作所, dt. Elektrogerätewerk Matsushita) gegründet.


Innovationen

Schon in den 30er Jahren führte das Unternehmen erfolgreiche Tests von Fernsehübertragungen durch. Weitere Innovationen der Anfangszeit waren neuartige Haushaltsgeräte, wie z.B. 1951 eine Waschmaschine mit Drehkreuz und ab 1952 Schwarz-Weiß-Fernseher. In den 1970er Jahren entstand eine sehr lange Liste an Neuerungen, unter anderem z.B. der Videostandard VHS.


Kônosuke Matsushita, der Philosoph unter den Firmenlenkern

Kônosuke Matsushita beschäftige sich intensiv mit Philosophie und mit der Frage, wie soziale Verantwortung zu Wohlstand führen kann. Die Verknüpfung von sozialer Verantwortung, zwischenmenschlichem Respekt, Streben nach Wohlstand für alle, urjapanischen Werten und der Verantwortung als Manager eines großen Konzerns machte ihn zu jemand Besonderem. Diese ungewöhnliche Kombination aus vermeintlich widersprüchlichen Ansätzen unterstreicht, wie modern und innovativ er dachte.



1929 führte Matsushita eine innovative Management-Praxis unter dem Motto der Harmonie zwischen Firmenprofit und sozialer Gerechtigkeit ein. Kurz darauf, 1933, verkündete er seine sieben Führungsprinzipien:


1)      Dienst an der Öffentlichkeit

2)      Gerechtigkeit und Ehrlichkeit

3)      Kooperation und Teamwork für die gemeinsamen Ziele

4)      unermüdliche Bemühung um Verbesserungen

5)      Höflichkeit und Bescheidenheit

6)      Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur

7)      Dankbarkeit für Segnungen.


Im Ruhestand konzentrierte sich Matsushita auf die Weiterentwicklung und Erklärung seiner sozialen und kommerziellen Philosophien und schrieb 44 Bücher. Eines seiner Bücher, Entwicklung eines Wegs zum Frieden und zum Glück durch Wohlstand, wurde über vier Millionen Mal verkauft.


Was können wir als Innovationsmanager von Panasonic lernen?

Bewundernswert und motivierend finde ich insbesondere die Verknüpfung von betriebswirtschaftlichen Zielen auf der einen und Besinnung auf Bescheidenheit und Gerechtigkeit im Team auf der anderen Seite. Hohe wirtschaftliche Ansprüche können mit zwischenmenschlichen Werten verbunden werden.


Fazit

Innovation made in Japan
Innovation made in Japan

Es ist lohnenswert, sich mit den Grundprinzipien japanischer Unternehmen und den Denkweisen ihrer Gründer zu befassen, weil sie in einmaliger Weise Ehrgeiz, das Streben nach finanziellem Erfolg und eine demütige, vom Miteinander geprägte Arbeitsweise miteinander verknüpft haben. Die Werte der japanischen Kultur sind dabei prägend eingeflossen.

Kennzeichnend für die unglaubliche Innovationskraft von Mitsubishi, Sony und Panasonic sind Menschlichkeit, Mut, Beharrlichkeit und Teamgeist.


Wem dabei ESG einfällt: Matsushita, Sony und Panasonic waren dem weit voraus. ESG steht für die drei Bereiche Umwelt (environmental), Soziales (social) und Unternehmensführung (governance), die Kernbereiche der Corporate Social Responsibility, also die soziale Verantwortung von Unternehmen. Das Kürzel wurde im Jahr 2006 zum ersten Mal in einem Report der UN mit dem Titel "Who Cares Wins" verwendet. Heute gibt es in der EU eine ESG-Berichtspflicht und entsprechende Branchenratings.


Auf welchen Werten sollte Innovationsarbeit sonst basieren, wenn Innovationen unser Leben immer besser machen sollen?

Stimmst Du zu? Was denkst Du? Welche Beispiele kennst Du?



Links:


Mitsubishi


Sony


Panasonic


Innovation principles

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